Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. Epheser 4,26
Liebe Gemeinde,
Leon ist wütend, so richtig wütend wie man das mit 5 Jahren sein kann. Wütend und zornig auf seine große Schwester. Nur weil sie schnell was aus dem Zimmer holen wollte, hat sie gegen seinen Turm aus Bausteinen getreten. Dabei war das fast der höchste Turm, den er gebaut hat. „Das hat sie bestimmt extra gemacht, weil sie es eilig hatte und mich ärgern wollte“, steigert er sich in seine Wut rein. „Du dumme Kuh“, brüllt er ihr hinterher und noch manch andere Begriffe, die man hier im Mosaik nicht abdrucken sollte. Er ist so zornig, dass er auf Rache aus ist. Vielleicht sollte er ihre Lieblingspuppe in den Mülleimer werfen.
Als er mit der Puppe dorthin rennt, läuft er seiner Mutter in die Arme. Sie hört sich die ganze Geschichte an. „Du hast doch auch schon das ein oder andere kaputt gemacht“, wirft sie ein.
Der Bibeltext geht auf so eine Situation ein. Dass man sich ärgert, dass man wütend und zornig ist, das kann passieren. Wer ist das nicht schon gewesen. Ich bin das auch immer mal wieder. Und es gibt viele Gründe wütend und zornig zu sein. Oft rege ich mich im Straßenverkehr auf über die, die nicht so fahren wie ich es gerne möchte. Oder über meinen Nachbarn, der allen im Haus seine Sicht des Zusammenwohnens vorschreiben will. Es gibt viele Gründe aus der Haut zu fahren.
Auch in unserer Gesellschaft werden der Zorn und die Wut auf Andersdenkende immer größer. Anonym im Internet wird oft sehr scharf und verletzend über andere hergezogen. Das Wort Wutbürger hat sich in der deutschen Sprache etabliert. Die, die sich so nennen, wollen ihren Unmut loswerden über ihre unzufriedene Situation. Oft wird dabei nicht sachlich argumentiert, sondern beleidigend und verletzend geschrieben. Versöhnung ist da in weiter Ferne. Mir macht es manchmal Angst, dass unsere Gesellschafft an der Wut Einzelner auseinanderbricht. Dass sich Menschengruppen für lange Zeit unversöhnlich gegenüberstehen, bis hin zu körperlicher Gewalt.
Der Text in Epheser zeigt einen anderen Weg auf. Ja, ihr könnt zornig sein, aber ladet nicht Schuld auf euch indem ihr unversöhnlich bleibt. Geht auf den anderen zu, der euch gerade zur Weißglut gebracht hat. Gott hat sich auch mit euch versöhnt, durch Jesus, seinen Sohn, damit wir leben können.
Dem anderen vergeben bevor die Sonne untergeht. Eine sportliche Aussage. Ich schaffe das nicht immer. Vielleicht muss es auch nicht immer sofort sein. Aber mit der Aussage, dass die Sonne nicht untergehen soll bevor ihr jemandem vergebt, ist ein Zeitraum genannt. Wir sollen nicht endlos warten, bis wir dann dem anderen vergeben, sondern es möglichst zeitnah tun. Nicht, dass der andere dann auch zornig auf uns ist und wir wieder auf ihn. Damit wird eine Wutspirale in Gang gesetzt, die sich dann oft nur schwer aufhalten lässt.
Wenn ich wütend bin und ins Bett gehe, kann ich oft nicht so schnell einschlafen. Ich denke nach, steigere mich rein und werde noch wütender. Der erholsame Schlaf bleibt da auf der Strecke. Der Bibelvers macht Mut, den Ärger schnell zu klären und dem anderen zu vergeben, auch wenn es schwerfällt. Wenn beide Seiten aufeinander zugehen, lebt es sich entspannter und vielleicht findet man dann doch die innere Ruhe, die man braucht.
Im Vaterunser beten wir „…und vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Wir beten es oft, jeden Sonntag im Gottesdienst, vielleicht auch während der Woche. Der Vers aus Epheser weist genau darauf hin. Dem anderen zeitnah vergeben, weil auch Gott uns vergeben hat und wir auch nicht ohne Schuld sind. Am Ende von Kapitel 4 fasst das Paulus nochmal in Vers 32 zusammen: Seid freundlich und barmherzig und vergebt einander, so wie Gott euch durch Jesus Christus vergeben hat.
Als Leons Schwester abends ins Bett geht, liegt ein selbstgemaltes Bild auf ihrem Kopfkissen.
Das Bild hat Leon gemalt und darauf ist ein großer Turm mit einem großen Mädchen und einem kleinen Jungen Hand in Hand. Sie muss lächeln. Danke Bruder, denkt sie, als sie das Bild auf den Tisch legt. Sie geht noch einmal zum Zimmer ihres Bruders, öffnet die Tür und sagt ganz leise „Sorry und Danke“ und schließt schnell die Tür. „Alles wird gut“, murmelt dieser schon fast im Schlaf. Und zwei Kinder schlafen diese Nacht richtig glücklich und gut.
Michael S.